Ruggell als eigenständige Pfarrei

Pfarrlich gehörte Ruggell seit der Christianisierung bzw. seit der Besiedlung zur Pfarrei Bendern. Ein erster entscheidender Vorstoss zur Loslösung von der Pfarrei Bendern erfolgte im Jahr 1841 durch den Beschluss der Ruggeller Bürger zur Errichtung einer Kuratie; das ist eine teilweise selbständige Seelsorgestelle mit einem eigenen Geistlichen innerhalb einer Pfarrei. Es dauerte jedoch bis 1854, ehe eine provisorische Kuratie errichtet werden konnte. Die Bemühungen um die kirchliche Selbständigkeit bzw. gänzliche Ablösung von der Mutterpfarrei Bendern gingen weiter, und am 23. Juni 1874 wurde von Weihbischof Kaspar Willi und Landesverweser Karl Freiherr Haus von Hausen das Statut über die definitive Abkurung unterzeichnet (siehe Abbildung Seite 2), nachdem die Gemeinde Gamprin im Oktober 1873 bei der Regierung den Antrag gestellt hatte, dass die Gemeinden Ruggell und Schellenberg ab dem 1. Juli 1874 von der Pfarrgemeinde Bendern getrennt werden sollten. Am 18. Februar 1875 stimmte der Bischof von Chur dem Gesuch der Gemeinden Ruggell und Schellenberg um Umbenennung ihrer Seelsorgeämter von Kuratie in Pfarrei zu.

Was ist nun das genaue Datum, an dem Ruggell eine eigenständige Pfarrei wurde? Der 23. Juni 1874, der 1. Juli 1874 oder der 18. Februar 1875? Der Vaduzer Historiker Dr. Alois Ospelt setzt die Entstehung der selbständigen Pfarrei Ruggell 1874 an mit der Begründung, dass der Bischof schon 1874 dem Kuraten von Ruggell die entsprechenden pfarrlichen Rechte und Abzeichen verliehen hatte.

Mit dem Gebiet des ehemaligen Dekanats Liechtenstein kam 1997 die Pfarrei Ruggell zum neu errichteten Erzbistum Vaduz. Inhaber des Patronats über die Ruggeller Kirche ist der Fürst von und zu Liechtenstein. 1999 verzichtete Fürst Hans-Adam II. zugunsten des Erzbischofs von Vaduz auf das mit dem Patronat verbundene Präsentationsrecht des Ruggeller Pfarrers, während das Patronatsrecht als solches mit den anderen damit verbundenen Rechten und Pflichten an sich weiter besteht.

Im Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein und insbesondere auch in Ruggell ist die Geschichte von Pfarrei und Gemeinde seit Jahrhunderten eng miteinander verbunden, wobei von Gemeinden im heutigen Sinn erst seit der Verfassung von 1862 die Rede sein kann. Zuvor hatten sie eher den Charakter von Dorfgenossenschaften.

Bis in die Gegenwart besteht wie in anderen Gemeinden Liechtensteins auch in Ruggell eine enge Verschränkung von Gemeinde und Pfarrei. Politische Vorstösse auf Landesebene, daran im Sinne einer Trennung oder Entflechtung von Staat und politischer Gemeinde etwas zu ändern, sind bis 2024 gescheitert oder im Sand verlaufen. In Ruggell war in jüngerer Zeit sogar eine gegenläufige Tendenz festzustellen: Im April 2004 erfolgte die grundbücherliche Eigentumsübertragung der Pfarrkirche Ruggell an die Gemeinde Ruggell aufgrund eines Vermittlerspruchs. In den Jahren 1999/2000 war die Gemeinde Ruggell mit dem gleichen Anliegen auf dem ordentlichen Gerichtsweg in drei Instanzen noch erfolglos. Die Gerichte hatten damals festgestellt, dass am 20. September 1895 die Pfarrgemeinde, vertreten durch den Kirchenrat, als Käuferin der beiden Grundstücke aufgetreten ist, auf denen die Pfarrkirche gebaut wurde. Überdies war der Bau der Pfarrkirche nur mit der grosszügigen Unterstützung des Landesfürsten möglich, der den grössten Teil der Baukosten trug. Das Fürstenhaus hat seit der Errichtung einer selbständigen Kuratie (6. März 1854) das Patronatsrecht in Ruggell übernommen. Gut hundert Jahre nach dem Bau der Pfarrkirche wurde die Gemeinde Ruggell dann im Grundbuch als Eigentümerin der katholischen Pfarrkirche eingetragen.

Im Hinblick auf das Jubiläum «150 Jahre Pfarrei St. Fridolin zu Ruggell» hat die Gemeinde Ruggell die Pfarrkirche innen renoviert, so dass sie seit Allerheiligen 2023 in neuem Glanz erstrahlt.

Abkurungsstatut vom 23. Juni 1874 (Erzbischöfliches Archiv Vaduz)